Ein Jahr später, 2004, hatte sie viele Papiere unterschrieben. Und ihr Einverständnis mit einer Erbteilung erklärt, mit der sie eigentlich nicht einverstanden gewesen sei, sagte sie danach (etwa in einem Artikel für Vanity Fair, aus dem hier Sätze wiedergegeben werden). In der Folge klagte sie zuerst gegen die drei wichtigsten Angestellten ihres Vaters, des mit 81 an Prostatakrebs verstorbenen obersten Fiat-Chefs. In den kommenden Jahren reichte sie weitere Klagen ein gegen ihre Mutter und ihre drei Kinder.
Privilegiert, aber nicht sorgenfrei
Zwanzig Jahre später, in der Gegenwart somit, steckt sie noch immer tief in Rechtshändeln mit ihren beiden Söhnen und der Tochter aus erster Ehe (ihre Mutter Marella Agnelli starb 2019, mit 91). Mit anderen Worten: Margherita streitet seit langem, sehr langem gegen ihre Familie. Der Fall ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer unübersichtlicher geworden. Man darf ihn mittlerweile als unglaublich kompliziert beschreiben.
Oder, und das ist der andere Blick, die Geschichte war von Anfang an ganz einfach: Es geht um Geld, viel Geld, klar. Aber auch um mehr. Es geht auch um Anerkennung beziehungsweise das Fehlen dieser. Um Respekt, Zugehörigkeit, Beheimatung und Liebe. Immaterielle Werte, die man gemeinhin mit dem Begriff «Familie» verbindet. Die aber in vielen, besonders wichtigen, reichen Familien kaum vorhanden respektive ungleich verteilt sind.
Margherita kam am 26. Oktober 1955 in Lausanne zur Welt, knapp sechzehn Monate nach ihrem Bruder, Edoardo, dem ersten Kind von Giovanni «Gianni» Agnelli und seiner Frau Marella Caracciolo di Castagneto. Der Vater war der wohl einflussreichste italienische Industrielle der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von vielen als «der wahre König Italiens betrachtet», steht bei Wikipedia.
Die Mutter stammte aus der alten neapolitanischen Adelsfamilie Caracciolo und fotografierte für die Vogue. Die Voraussetzungen von Margherita und Edoardo für ein privilegiertes, sorgenfreies Leben hätten besser kaum sein können. Privilegiert waren die Geschwister, zweifelsohne, als sorgenfrei aber kann man sie kaum bezeichnen. Margherita, heute 68, ist immerhin noch am Leben. Edoardo beendete seines an einem Novembermorgen im Jahr 2000, der damals 46-Jährige sprang von dem siebzig Meter hohen Autobahnstück bei Turin mit Übernamen «Selbstmörderbrücke», kopfvoran angeblich.
Die Gräfin zeigte Haltung, übersah seine Geliebten oder gab sich philosophisch.
Als Margherita ein junges Mädchen war, waren die ausserehelichen Affären ihres Vaters das Stadtgespräch – weltweit. Weil die Namen der paramours manchmal ähnlich bekannt waren wie sein Name: Jacqueline Kennedy und verschiedene Schauspielerinnen, Anita Ekberg oder Silvia Monti. Männer wie ihn und seine Freunde, darunter Gunter Sachs sowie Porfirio Rubirosa, nannte man Playboys, ihre Seitensprünge wurden in englischsprachigen Zeitungen als sexual wanderlust beschrieben und in den höheren Kreisen als Kavalierskollateralschäden kleingeredet; Agnelli habe Bulgari, den Juwelier aus Rom, im Geschäft gehalten, erzählte man etwa, weil er seiner Frau jedes Mal, wenn ein weiteres Fremdgehen aufgeflogen war, ein kostbareres Schmuckstück zur Entschuldigung geschenkt habe.
Ein Papa wie Caligula
Die Gräfin zeigte Haltung, stood by her man, übersah seine Geliebten oder gab sich philosophisch: «Gianni erkennt Frauen nicht als liebenswert, für ihn sind sie zum Erobern da», sagte sie einem Biografen. Dafür sass die noble Marella, ein ehemaliges Mannequin, während Familienfesten zuoberst am langen Tisch unter Bäumen in Villengärten auf Capri, daneben ihr Mann, genannt «L’Avvocato», der zwar studierter Jurist, aber nicht Anwalt war, sowie eine Schar vornehmer Verwandter und ihre schönen Kinder.
Unter Agnelli, dem Löwen des italienischen Wirtschaftswunders, entwickelte sich nicht bloss das Unternehmen Fiat, das mehrheitlich der Familie gehörte, zu einem der grössten Autohersteller Europas (und sein Fussballklub Juventus Turin zu einer der erfolgreichsten Mannschaften des Landes), in der Zeit seines Einflusses wuchs auch Italien zur fünftstärksten Volkswirtschaft der Welt heran. Was wiederum Giannis Bedeutung als «Macht-, Beziehungs- und Stil- Koloss» (Vanity Fair) festigte.
Seinen Sohn Edoardo – der auf Bildern neben dem Vater immer ein wenig geknickt, ja gequält aussieht – habe er zu keiner Zeit für eine höhere Stellung im Familienunternehmen in Erwägung gezogen, ganz zu schweigen davon, ihn als möglichen Nachfolger aufzubauen, sind sich die Agnelli-Lebensgeschichtenautoren einig. Der Junge war ein Linker, verglich seinen Alten mit Caligula, verfiel mehr und mehr dem Heroin und trat zum Islam über. Es ist schwer zu sagen, welcher Umstand beziehungsweise welche Tat den «Avvocato» am meisten abstiess. Genauso schwer wie zu erkennen, ob Edoardos Lebensentwurf und die Ablehnung von allem, wofür sein Vater stand, inklusive seines Anteils am Vermögen, auf den er verzichtete, Ursache oder Wirkung des schlechten Verhältnisses der beiden waren.
Gemessen daran war die Tochter pflegeleicht, ihr Austausch mit dem im privaten Leben als kalt geltenden Vater angenehm. Als junge Erwachsene sei sie freundlich und zugänglich gewesen, sagt
ein Verwandter über Margherita, wenn auch sie eine leicht rebellische Seite gehabt habe. Diese habe aber darin gegipfelt, dass sie sich für die damals aufkommende New-Age-Bewegung, für Meditation und Erkenntnisse fernöstlicher Kultur interessierte. Einmal habe sie sich den Kopf rasieren lassen, um den Koloss zu reizen. Doch dieser sei ruhig geblieben, stufengerecht, habe bloss gesagt, falls sie meine, die Glatze beeindrucke ihn, liege sie falsch. Das Laisser-faire des Vaters gegenüber dem Aufbegehren der Tochter kann als Grösse verstanden werden. Oder als mangelnde Empathie, schliesslich war Margherita bloss ein Mädchen, und einem solchen riet man chez Agnelli: «Mach dir keine Sorgen, Kleines, mal ruhig weiter, alles ist gut in deinem Leben» (Margherita Agnelli wird als«Mutter, Künstlerin, Lehrerin, Dichterin und Amateurpsychologin» beschrieben).
Was in dieser Aufzählung fehlt: «Erbin und Milliardärin». Die Papiere, die sie vor 21 Jahren nicht unterschreiben wollte und die den letzten Willen ihres Vaters verkündeten, brachten sie in den Besitz von, zur Hauptsache, mehreren Familienanwesen, darunter einer Villa auf dem höchsten Hügel Roms neben dem Präsidentenpalast, einem LandhausmitdenFamiliengräbern in der Parkanlage, dem väterlichen Gut über Turin, seinem Sommerhaus auf Korsika sowie einem Palais in Paris. Weiter einen Teil der elterlichen Kunstsammlung mit Werken von Francis Bacon, Gustav Klimt, Paul Klee, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Balthus und Egon Schiele, die bereits vor fünfzehn Jahren auf eine Milliarde geschätzt wurden, plus flüssige Mittel im Wert von damals 300 Millionen Dollar (inklusive so etwas wie der Portokasse des Alten mit einem Saldo von sechs Millionen). In der aktuellen Reichstenliste der Bilanz wird das Vermögen von Margherita Agnelli, die im Kanton Waadt lebt, auf 2 bis 2,5 Milliarden Franken geschätzt.
Alles – ausser einer Aufgabe
Und dennoch streitet sie seit mehr als zwanzig Jahren gegen die eigene Familie um ihren Anteil am väterlichen Vermögen – reichte sogar eine Klage ein? Falsch. Sie reichte nicht eine Klage ein – sondern viele Klagen. So weit, so schwer nachvollziehbar.
Margherita war ihr ganzes Leben lang reich, respektive wuchs in unfassbar reichen Verhältnissen auf, in den über die Welt verstreuten Villen ihres Vaters, wenn sie nicht gerade in den teuersten Internaten untergebracht war. Es fehlte ihr an nichts. Ausser an einer Aufgabe, die ihr zu Beachtung, Anerkennung und, letztlich, Freiheit verhelfen könnte. Was tut man, wenn man die einzige Tochter von Gianni Agnelli ist und auf der Suche nach einem eigenen Leben beziehungsweise dem Sinn darin? Man heiratet. Mit neunzehn wurde sie die Frau des damals 25-jährigen Alain Elkann, eines gutaussehenden amerikanisch-italienisch-französischen Journalisten und Buchautors, dessen Vater ebenfalls ein Industrieller war sowie hohe Posten der jüdischen Gemeinde von Paris innehatte. Kennengelernt hatte ihn die katholische Agnelli-Tochter, nachdem einer der consiglieri, Ratgeber ihres Vaters, den jungen Elkann in die Familienfirma geholt hatte. Das Paar liess sich nach sechs Jahren, 1981, scheiden, der kurzen Ehe entstammen aber immerhin drei Kinder: John, geboren 1976, Lapo, 1977, und Ginevra, mit Jahrgang 1979 die Jüngste, mit Nachnamen allesamt Elkann.
Margheritas Wunsch, Licht in den Kassenschrank ihres Vaters zu lassen, war nachvollziehbar.
1978, nach drei Ehejahren, war die junge Familie nach London gezogen. Wo Margherita als Kunstlehrerin in einem alternativen Kindergarten arbeitete, den auch ihre Kinder besuchten. Und sie auf ihren nächsten Mann traf, Graf Serge de Pahlen, Exilrusse, geboren in Paris, Nachfahr eines deutsch- baltischen Adelsgeschlechts, der an der ETH in Zürich Ingenieurwissenschaften studiert hatte (zudem der Bruder der Betreiberin des Kindergartens ist, in dem Margherita unterrichtete). Mit ihm ist sie bis heute verheiratet. Das Paar lebt in Allaman, Kanton Waadt, und hat fünf gemeinsame Kinder – was Margherita somit zur Mutter von acht Kindern im Ganzen macht.
Gatte auf der langen Lohnliste
Nach der zweiten Eheschliessung trat sie zum orthodoxen Glauben ihres Mannes über. Was im Hause Agnelli wahrscheinlich als das kleinere Übel angesehen worden war – immerhin blieb sie Christin –, als wenn sie zur Jüdin konvertiert wäre in den Jahren, als sie mit ihrem ersten Mann zusammen war. Doch auch dieser Entscheid bereitete ihren Eltern und Verwandten wohl wenig Freude. Wenigstens lebte Margherita, obwohl stark engagiert für die neue Familie mit Mann und fünf gemeinsamen Kindern, einigermassen friedlich neben der alten grossen Familie inklusive ihrer drei Kinder aus erster Ehe, die mal bei ihr, mal beim Vater waren, meist aber ebenso in Internate versorgt wurden, wie dies bei ihr der Fall gewesen war.
Und Gatte Serge stand weiter auf der langen Lohnliste ihres Vaters, er arbeitete für Fiat, obwohl Margheritas Apanage gereicht hätte, dass er sich schon viel früher seiner Berufung hätte hingegeben können: Büchern respektive dem Verlegen solcher. Er gründete 1999 die Editions des Syrtes, einen «kleinen, aber feinen Verlag für russische Literatur» (Die Weltwoche) in Genf; in den Augen anderer Journalisten sind die Editions des Syrtes eher Tarnung, in den Tamedia- Zeitungen stand vor zwei Jahren, de Pahlen sei «Putins Vertrauensmann am Genfersee» und er habe dem russischen Präsidenten etwa einst in einem Pariser Restaurant geraten, dreissig Jahre lang zu herrschen, genauso wie Katharina die Grosse. Die Schlussfolgerung fusst mehrheitlich auf Stellen im Buch «Putins Netz» der britischen Journalistin Catherine Belton, die de Pahlen als Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes zu Sowjetzeiten beschrieb. Er war zwar immer gegen die Kommunisten gewesen, hatte aber tatsächlich eine Zeitlang in der damaligen Sowjetunion gelebt. Und im Herbst 2014 unterzeichnete er einen Aufruf «gegen die programmierte Vernichtung der Bevölkerung im Donbass durch die ukrainische Regierung» und deren «Milizen, die sich mit Nazisymbolen schmücken» (Quelle: Weltwoche).
Margherita mag vieles sein, eine politisch Bewegte war sie aber kaum. Was man dagegen schreiben darf: Im mittleren Alter, sie war 47, als ihr Vater starb, entdeckte sie ihre aktivistische Seite. Jedenfalls was die Familienverhältnisse beziehungsweise die Männer betrifft, die sich um die Familienfirmen und das Vermögen kümmerten. Anfänglich soll sie, nachdem Gianni Agnellis Testament ohne sie verlesen worden war, von seinen consiglieri nur Auskünfte verlangt haben. Sie wollte bloss eine Abbildung der wirtschaftlichen Lage des Verstorbenen, eine Liste seiner privaten Besitztümer sowie geschäftlicher Beteiligungen sehen.
Die Worte «nur» und «bloss» sind in diesem Zusammenhang Understatements, einverstanden. Der private Reichtum des «Avvocato» war verteilt über die ganze Welt (oder jedenfalls die schönen Teile davon, le beau monde). Und seine Beteiligungen waren undurchsichtig – seine Firma Dicembre kontrollierte die Giovanni Agnelli & Kompanie, die wiederum die Holding- gesellschaft IFI kontrollierte, die die Holdinggesellschaft IFIL kontrollierte, die unter anderem 30 Prozent an der Fiat-Gruppe hielt plus reichlich Aktien des Fussballklubs Juventus, der Intesa Sanpaolo (grösste Kreditbank Italiens) sowie von amerikanischen Immobilien- unternehmen und so weiter und so fort.
Was sind die Gründe für ein solches blickdichtes Gebilde, das Franzo Grande Stevens und andere Ratgeber im Auftrag des Fiat-Chefs und Kolosses gebaut hatten? Genau das – das Vermögen vor Blicken von Neugierigen zu schützen und, in der Folge, vor dem Zugriff darauf. Egal, ob es sich bei den Neugierigen (und vielleicht auch Gierigen) um Lebensfreunde, Geschäftsfeinde, die Steuerbehörde oder Familienmitglieder handelt.
Tektonische Plattenverschiebung
So besehen, war Margheritas Wunsch, den Sichtschutz einzureissen und Licht in den Kassenschrank ihres Vaters zu lassen, nachvollziehbar. Für Aussenstehende jedenfalls. Nicht aber für Mitglieder des inneren Kreises, ihre Mutter Marella und Margheritas drei Kinder aus der ersten Ehe sowie die consiglieri. Weshalb Grande Stevens und Gianluigi Gabetti, langjähriger hoher Kadermann und Freund des Alten, handelten.
Sie findet, die Abfindung im Wert von rund 1,2 Milliarden sei zu niedrig.
Aber nicht so, wie Margherita es wünschte – sie beschäftigten sich nicht mit einem Vermögensverzeichnis, sondern schufen frische Fak- ten: Giannis Witwe Marella und seine Tochter Margherita hatten je 37,5Prozent an Dicembre, der Firma, in der die Agnelli-Firmen verpackt sind, gehalten. Und John, Margheritas Ältester plus Giannis Enkel, 25 Prozent. Doch neu brachte er es
auf 62,5 Prozent der Stimmen und konnte somit bei Dicembre entscheiden. Weil ihm die Grossmutter ihre Anteile übertragen hatte. Und zwar ohne ihre Tochter dies wissen zu lassen. Als Margherita von dieser tektonischen Plattenverschiebung erfuhr, lernte sie weiter, dass die anderen beiden Elkann-Agnelli-Nachfahren, Lapo und Ginevra, ebenfalls erben würden. Nicht aber ihre fünf weiteren Kinder. Sondern dass die Familie Agnelli-de-Pahlen von nun an draussen beziehungsweise auf sich gestellt sei (wenn auch das erwähnte Milliardenerbe, dass Mutter Margherita annahm, nicht vergessen werden respektive in Klammern nachgereicht werden sollte). Und die Dienste von Serge, Ehemann sowie Graf de Pahlen, übrigens, waren auch nicht länger gefragt, er war bei Fiat rausgeworfen worden.
Ein kurzer Sprung nach vorne. Fiat ist heute der vielleicht wichtigste Teil von Stellantis, dem grössten Autohersteller Europas, in dem viezehn Marken untergebracht sind. Und der Wert aller in der Firma Dicembre zusammengefassten Beteiligungen stieg in den vergangenen zwanzig Jahren um 2700 Prozent, auf rund 33 Milliarden Euro. Mit anderen Worten: Stellantis-Präsident und Dicembre-Mehrheitsaktionär John Elkann hat gut, sehr gut gewirtschaftet. Grossvater Gianni wäre stolz auf ihn – erstens wegen der erbrachten Leistung und zweitens, weil er die Begabung des Jungen früh erkannt hatte, er ernannte ihn bereits als 21-Jährigen zu seinem späteren Nachfolger, versuchte sogar, Johns Nachnamen von Elkann in Agnelli zu ändern (was nicht mal dem «Avvocato» gelang), und übertrug ihm einen Viertel der Familienunternehmung.
Papas Wille geschehe
Falls sich Mutter Margherita am Erfolg ihres Sohns erfreut, zeigt sie es auf eine merkwürdige Weise: Sie findet, die Abfindung im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro, die sie 2004 für ihren Dicembre-Anteil bekam, sei zu niedrig, jedenfalls gemessen an der heutigen Bewertung der Unternehmen der Familie. Darum versucht sie, auf dem Rechtsweg Nachbesserung zu erstreiten. Im Nachhinein ist man klüger, könnte man sagen. Wenn es nicht so durchsichtig und offensichtlich wäre. Immerhin soll Margherita seinerzeit ihrem Cousin Lupo Rattazzi anvertraut haben, sie fürchte, Fiat werde den Weg von Parmalat gehen – der italienische Nahrungsmittelkonzern machte 2003 Pleite (Fiat fuhr im selben Jahr das schlechteste Ergebnis der Firmengeschichte ein, einen Milliardenverlust) – und nahm den gebotenen Deal an.
Deshalb argumentiert sie anders: mit Gleichberechtigung ihrer acht Kinder. Zur Erinnerung, die fünf aus der zweiten Ehe gingen «leer» aus respektive haben, Stand heute, einen Anspruch auf den grössten Teil des mütterlichen Vermögens von zirka 2,5 Milliarden oder ungefähr eine knappe halbe Milliarde pro Kindskopf. Was für die allermeisten Menschen eine unfassbar hohe Summe ist. Nicht aber für die Direktbetroffenen respektive deren Mutter, sie nimmt Mass für die ganze Brut an den zwei Kindern, neben John, aus ihrer ersten Ehe. Lapo und Ginevra halten je 20 Prozent an Dicembre, stehen deshalb im Augenblick mit ungefähr 6,6 Milliarden auf der Weltreichstenliste (Johns Vermögen wird mit zwanzig Milliarden angegeben), haben also mehr als zehnmal so viel wie ihre jüngeren Halbgeschwister, über die in der breiten Öffentlichkeit wenig bekannt ist.
Margheritas vielleicht schlüssigste Begründung geht so: Ihr Vater habe bloss 20 Prozent der Dicembre-Firmenbeteiligung seinem Enkel John abtreten wollen, dagegen 80 Prozent hälftig zwischen Ehefrau Marella und Tochter Margherita aufgeteilt. Das sei Papas wahrer Wille gewesen und auch sein letzter. Doch den habe sein Gefolge, angeführt von Anwalt Grande Stevens und consigliere Gabet- ti, missachtet. Und dagegen kämpfe sie. Also nicht gegen, sondern für den Vater, den sie zudem mehr respektiert und geliebt habe als alle anderen inklusive ihrer Mutter. Stimmt’s? Niemand weiss es, ausser einem, und der kann nicht mehr Stellung nehmen.
Tief- oder Höhepunkt des Verrats
Was man hingegen behaupten darf: Der Übervater hätte die Mittel, die seine Tochter seit seinem Ableben ergriffen hat, angeblich um seinem Vermächtnis Sorge zu tragen, nicht gutgeheissen. Das war wieder eine Untertreibung. Gianni Agnelli war trotz seines Bekanntheitsgrads und seiner starken Ausstrahlung ein Mann, der Wert darauf legte, sein privates Leben und das der Familie privat zu halten. Jede und jeder, die und der ihn kannte und sich äusserte, ist überzeugt, dass er Margheritas Strafklagen gegen seine Fa- milie und Freunde sowie ranghohe Mitarbeiter als grösstmöglichen Fehler und Vertrauensbruch gesehen hätte. Einzig zu überbieten durch die andere Tat, die ausgerechnet seine Tochter beging, schmutzige Wäsche der famiglia öffentlich zu waschen nämlich, und zwar im grössten und sichtbarsten Brunnen weit und breit: Margherita erzählte ihre Sicht auf vertrauliche Dinge im Wall Street Journal und in anderen ausländischen Zeitungen einem Millionenpublikum. Was man ihr übelnehmen kann, wenn auch im Grunde an- erkannt werden muss, dass sie in Italien kaum Veröffentlichungsmöglichkeiten gefunden hätte, der lange Arm der Agnellis reicht in alle wichtigen Redaktionen.
Es wird immer schwerer, die Dysfunktionalität der Agnellis rational zu begründen.
Der Tief- oder Höhepunkt des Verrats, je nachdem, welchen Blickwinkel man wählt, ist aber denkbarerweise die Anschwärzung der Grossmutter plus des Sohns durch die Mutter. Der Vorfall also, mit dem Margherita dafür sorgte, dass Finanzpolizisten kürzlich Johns Haus und Büros in Italien nach belastenden Belegen durchsuchten; sie hatte John-Boy, mit dem sie schon lange nicht mehr spricht, angezeigt, weil er in den 2000er Jahren der Grossmutter geholfen habe, die italienischen Steuerbehörden zu betrügen – es geht um die Frage, ob Marella wirklich in der Schweiz lebte wie behauptet oder vielmehr in Italien und deshalb dort steuerpflichtig war. Wüsste der «Avvoca-
to» davon, darf man annehmen und ein Klischee bedienen, er würde in seinem Familienmausoleum rotieren wie ein Cinquecento-Motor bei der Fahrt über hohe Dolomitengipfel.
Wenn wir es von Klischees haben: der so- genannte Fluch der Agnellis. Natürlich glaubt man nicht daran, tut solches stattdessen ab als Aberglauben oder Erfindung von Boulevardschreibern auf Leserjagd. Dennoch wird es immer schwerer, das Unglück oder, neutraler ausgedrückt, die Dysfunktionalität der Agnellis rational zu begründen. Was vielleicht nur damit zusammenhängt, dass je länger, je weniger Leute, die etwas Gehaltvolles zur Familie sagen könnten, schweigen. Schriftliche Stellungnahmen von Parteianwälten und Family-Office-Vertretern versuchen wohl, die Ausgangslage «objektiv» darzustellen, dienen damit aber bloss ihren Auftraggebern beziehungsweise deren Interessen.
Ich habe Lapo Elkann, Margheritas zweiten Sohn aus erster Ehe, mehrmals getroffen. Er arbeitete früher für Fiat, wurde dann Unternehmer und ist ein dauerhafter Eintrag auf der best dressed-Liste, am bekanntesten aber für seine Abstürze inklusive einer Drogenüberdosis, eingenommen in der Wohnung einer transsexuellen Turiner Prostituierten, nur Tage nachdem er den Kontakt zu seiner Mutter abgebrochen hatte. Seither, scheint’s, hat er sich gefangen, lebt seit neustem recht zurückgezogen in Portugal; mit seiner Mutter respektive über diese spricht er ebenfalls nicht mehr.
Und Ginevra, die Tochter aus erster Ehe, lebt mit ihrer Familie in Rom, arbeitet als Kuratorin der grosselterlichen Kunstsammlung in Turin sowie als freie Filmemacherin. Sie hat einen sehenswerten Spielfilm über eine dysfunktionale Familie gedreht: Der Vater ist überfordert mit den Kindern, interessiert sich aber ohnehin mehr für seine Arbeit und die neue Freundin, die Mutter ist eine entrückte Fromme, bloss noch erreichbar für Gott und ihren neuen orthodoxen Mann («Tutti insieme», von 2019). Als ich sie dazu befragte, nahm sie Abstand davon, tatsächlich ihre Biografie verfilmt zu haben, bezeichnet den Film stattdessen als mehrheitlich erfunden et cetera. Sie war die längste Zeit Vermittlerin zwischen ihrer Mutter sowie ihren Brüdern und dem Rest der Familie, hat diese Aufgabe aber aufgegeben, da sie unlösbar sei, heisst es.
Ein früherer Biograf der Familie wiederum, den ich um aktuelle Einschätzungen bat, enthielt sich der Stimme, er verfolge die Familienfehde nicht länger, war seine Entschuldigung. Und ein Grossneffe von Gianni Agnelli, mit dem ich bekannt bin, antwortete auf meine Bitte um Einordnung, er habe es aufgegeben, eine solche vorzunehmen, stattdessen beschlossen, jedem Familienmitglied unvoreingenommen zu begegnen und die Zeit, die man gemeinsam verbringe, nicht mit Fragen, wer recht habe, zu verschwenden. Er hat, so sieht’s aus, einen Weg und Umgang gefunden. Die Direktbetroffenen sind noch nicht so weit.
Bedrohung von innen
Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen, sagt man. Besonders wenn es um jahrzehntelange, länderübergreifende Rechtsstreite unter Milliardären geht, ist zu ergänzen. Trotzdem sollen drei mehr oder weniger belastbare Aussagen gewagt werden: Die Rechtshändel, wenigstens sieben verschiedene Fälle laufen derzeit, dürften noch Jahre dauern (und zahlreichen Anwälten weiter hohe Honorare verschaffen). Doch eine Entwicklung, die dazu führt, dass die 2004 von den Parteien angenommene Erbteilung für ungültig erklärt und neu verhandelt wird, wie dies Margherita verlangt, ist schwer vorstellbar.
Drittens schliesslich die Geschichte mit dem Antrieb: Es gehe ihr um Gleichheit innerhalb der Familie, sagt die Klägerin. Mag sein, dass das mal die Absicht war. Doch bewirkt hat sie etwas anderes. Dass alle in der Familie zusammenhalten, um einer Bedrohung von aussen zu widerstehen, nämlich. Und für die Familie ist sie, Margherita Agnelli, diese Bedrohung.
Mark van Huisseling
Balgriststrasse 92
CH-8008 Zürich
markvan@bluewin.ch
Website Gestaltung und Coding:
(TEAM) Alexis Zurflüh
Allgemeiner Hinweis und Pflichtinformationen
Benennung der verantwortlichen Stelle
Die verantwortliche Stelle für die Datenverarbeitung auf dieser Website ist:
Mark van Huisseling
Balgriststrasse 92
CH-8008 Zürich
Die verantwortliche Stelle entscheidet allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten (z.B. Namen, Kontaktdaten o. Ä.).
Widerruf Ihrer Einwilligung zur Datenverarbeitung
Nur mit Ihrer ausdrücklichen Einwilligung sind einige Vorgänge der Datenverarbeitung möglich. Ein Widerruf Ihrer bereits erteilten Einwilligung ist jederzeit möglich. Für den Widerruf genügt eine formlose Mitteilung per E-Mail. Die Rechtmäßigkeit der bis zum Widerruf erfolgten Datenverarbeitung bleibt vom Widerruf unberührt.
Recht auf Beschwerde bei der zuständigen Aufsichtsbehörde
Als Betroffener steht Ihnen im Falle eines datenschutzrechtlichen Verstoßes ein Beschwerderecht bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu. Zuständige Aufsichtsbehörde bezüglich datenschutzrechtlicher Fragen ist der Landesdatenschutzbeauftragte des Bundeslandes, in dem sich der Sitz unseres Unternehmens befindet.
Recht auf Datenübertragbarkeit
Ihnen steht das Recht zu, Daten, die wir auf Grundlage Ihrer Einwilligung oder in Erfüllung eines Vertrags automatisiert verarbeiten, an sich oder an Dritte aushändigen zu lassen. Die Bereitstellung erfolgt in einem maschinenlesbaren Format. Sofern Sie die direkte Übertragung der Daten an einen anderen Verantwortlichen verlangen, erfolgt dies nur, soweit es technisch machbar ist.
Recht auf Auskunft, Berichtigung, Sperrung, Löschung
Sie haben jederzeit im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen das Recht auf unentgeltliche Auskunft über Ihre gespeicherten personenbezogenen Daten, Herkunft der Daten, deren Empfänger und den Zweck der Datenverarbeitung und ggf. ein Recht auf Berichtigung, Sperrung oder Löschung dieser Daten. Diesbezüglich und auch zu weiteren Fragen zum Thema personenbezogene Daten können Sie sich jederzeit über die im Impressum aufgeführten Kontaktmöglichkeiten an uns wenden.
SSL- bzw. TLS-Verschlüsselung
Aus Sicherheitsgründen und zum Schutz der Übertragung vertraulicher Inhalte, die Sie an uns als Seitenbetreiber senden, nutzt unsere Website eine SSL-bzw. TLS-Verschlüsselung. Damit sind Daten, die Sie über diese Website übermitteln, für Dritte nicht mitlesbar. Sie erkennen eine verschlüsselte Verbindung an der „https://“ Adresszeile Ihres Browsers und am Schloss-Symbol in der Browserzeile.
Kontaktformular
Per Kontaktformular übermittelte Daten werden einschließlich Ihrer Kontaktdaten gespeichert, um Ihre Anfrage bearbeiten zu können oder um für Anschlussfragen bereitzustehen. Eine Weitergabe dieser Daten findet ohne Ihre Einwilligung nicht statt.
Die Verarbeitung der in das Kontaktformular eingegebenen Daten erfolgt ausschließlich auf Grundlage Ihrer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO). Ein Widerruf Ihrer bereits erteilten Einwilligung ist jederzeit möglich. Für den Widerruf genügt eine formlose Mitteilung per E-Mail. Die Rechtmäßigkeit der bis zum Widerruf erfolgten Datenverarbeitungsvorgänge bleibt vom Widerruf unberührt.
Über das Kontaktformular übermittelte Daten verbleiben bei uns, bis Sie uns zur Löschung auffordern, Ihre Einwilligung zur Speicherung widerrufen oder keine Notwendigkeit der Datenspeicherung mehr besteht. Zwingende gesetzliche Bestimmungen – insbesondere Aufbewahrungsfristen – bleiben unberührt.
Newsletter-Daten
Zum Versenden unseres Newsletters benötigen wir von Ihnen eine E-Mail-Adresse. Eine Verifizierung der angegebenen E-Mail-Adresse ist notwendig und der Empfang des Newsletters ist einzuwilligen. Ergänzende Daten werden nicht erhoben oder sind freiwillig.
Die Verwendung der Daten erfolgt ausschließlich für den Versand des Newsletters.
Die bei der Newsletteranmeldung gemachten Daten werden ausschließlich auf Grundlage Ihrer Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO) verarbeitet. Ein Widerruf Ihrer bereits erteilten Einwilligung ist jederzeit möglich. Für den Widerruf genügt eine formlose
Mitteilung per E-Mail oder Sie melden sich über den “Austragen”-Link im Newsletter ab. Die Rechtmäßigkeit der bereits erfolgten Datenverarbeitungsvorgänge bleibt vom Widerruf unberührt.
Zur Einrichtung des Abonnements eingegebene Daten werden im Falle der Abmeldung gelöscht. Sollten diese Daten für andere Zwecke und an anderer Stelle an uns übermittelt worden sein, verbleiben diese weiterhin bei uns.
Cookies
Unsere Website verwendet Cookies. Das sind kleine Textdateien, die Ihr Webbrowser auf Ihrem Endgerät speichert. Cookies helfen uns dabei, unser Angebot nutzerfreundlicher, effektiver und sicherer zu machen.
Einige Cookies sind “Session-Cookies.” Solche Cookies werden nach Ende Ihrer Browser-Sitzung von selbst gelöscht. Hingegen bleiben andere Cookies auf Ihrem Endgerät bestehen, bis Sie diese selbst löschen. Solche Cookies helfen uns, Sie bei Rückkehr auf
unserer Website wiederzuerkennen.
Mit einem modernen Webbrowser können Sie das Setzen von Cookies überwachen, einschränken oder unterbinden. Viele Webbrowser lassen sich so konfigurieren, dass Cookies mit dem Schließen des Programms von selbst gelöscht werden. Die Deaktivierung von Cookies
kann eine eingeschränkte Funktionalität unserer Website zur Folge haben.
Das Setzen von Cookies, die zur Ausübung elektronischer Kommunikationsvorgänge oder der Bereitstellung bestimmter, von Ihnen erwünschter Funktionen (z.B. Warenkorb) notwendig sind, erfolgt auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Als Betreiber dieser
Website haben wir ein berechtigtes Interesse an der Speicherung von Cookies zur technisch fehlerfreien und reibungslosen Bereitstellung unserer Dienste. Sofern die Setzung anderer Cookies (z.B. für Analyse-Funktionen) erfolgt, werden diese in dieser
Datenschutzerklärung separat behandelt.